Auch der Holzbau ist derzeit von Lieferengpässen betroffen, was die Disposition und Termine auf Baustellen ins Wanken bringt. Foto: AMH

08.07.2021

Auftragsbücher im Handwerk füllen sich

Das Frühjahr hat die optimistischen Erwartungen der Handwerksbetriebe in der Region erfüllt. Allerdings machten zuletzt Materialengpässe und steigende Einkaufspreise der Bau- und Ausbaubranche und den Zulieferern zu schaffen.

„Die Stimmung hat sich quer durch alle Branchen verbessert. Das gilt natürlich vor allem für die Betriebe, die nach mehrmaligen Schließungen im Lockdown nun endlich wieder arbeiten können“, fasst Harald Herrmann, Präsident der Handwerkskammer Reutlingen, die Ergebnisse der jüngsten Konjunkturumfrage zusammen.

Zwei Drittel der Betriebe in den Landkreisen Freudenstadt, Reutlingen, Sigmaringen, Tübingen und Zollern-Alb bewerteten ihre Geschäftslage in den vergangenen Wochen als gut (Vorjahresquartal: 48,0 Prozent). Der Anteil derer, die sich unzufrieden äußerten, liegt bei nunmehr 12,6 Prozent – halb so viele wie vor zwölf Monaten (Vorjahresquartal: 26,8 Prozent).

Deutlich verbessert hat sich die Auftragslage. 40 Prozent der Betriebe meldeten mehr Bestellungen als vor zwölf Monaten, während 15 Prozent einen Rückgang verzeichneten. Der durchschnittliche Auftragsbestand aller Betriebe stieg um 1,5 Wochen auf 10,3 Wochen. Deutlich darüber liegen die Bauhandwerker mit 19,4 Wochen, gefolgt von den Ausbaubetrieben mit 13,4 Wochen. Mit einem Plus von über drei Wochen verzeichnen die Zulieferbetriebe den höchsten Zuwachs aller Handwerksgruppen. Damit verfügen die Metall- und Elektrobetriebe über ein Auftragspolster von 10,4 Wochen.

Diese drei Branchen sind es auch, die am stärksten von den aktuellen Lieferengpässen bei Material und Bauteilen betroffen sind. „Dies führt dazu, dass Aufträge nicht wie vereinbart ausgeführt oder termingerecht abgeschlossen werden können, weil benötigte Materialien, zum Beispiel Holz, Dämmstoffe und Kunststoffrohe nicht oder nur in unzureichender Menge verfügbar sind. Im schlimmsten Fall muss die Arbeit komplett eingestellt werden. Das kann Kurzarbeit trotz an sich guter Auftragslage bedeuten“, erklärt Herrmann. Hinzu kämen die sprunghaft gestiegenen Einkaufspreise. „Wenn vertraglich keine Möglichkeit zur Anpassung vorgesehen ist und Verhandlungen mit dem Kunden scheitern, bleibt der Unternehmer auf diesen Mehrkosten sitzen“, betont Herrmann. Das aktuelle Preisniveau dürfte zudem manche Kalkulation von Häuslebauern und Eigentümern über den Haufen werfen. „Vermutlich wird manche Investition eine Nummer kleiner ausfallen oder erst einmal verschoben werden.“ Eine baldige Trendumkehr ist nach Einschätzung der Betriebe nicht in Sicht. 78 Prozent der Ausbaubetriebe und jeweils 71 Prozent der Zulieferer und Baubetriebe rechnen mit weiteren Preissteigerungen in den kommenden Wochen.

Angesichts der anziehenden Nachfrage konnten die Betriebe ihre Kapazitäten deutlich besser als zuletzt auslasten. Einen Auslastungsgrad von mindestens 90 Prozent nannten 43 Prozent der Befragten. Im Bauhauptgewerbe sind es 62 Prozent, im Ausbauhandwerk 58 Prozent, die nahe an der Volllast arbeiten. Weit von diesen Werten entfernt arbeiten derzeit die Dienstleistungsbetriebe, wie beispielsweise die Friseure, Kosmetiker und Maßschneider, von denen viele direkt von den Corona-Maßnahmen betroffen waren. 41 Prozent von ihnen konnten ihre Kapazitäten zuletzt bis maximal zur Hälfte nutzen. Zum Zeitpunkt der Befragung galt allerdings noch eine strikte Bestimmungen für Corona-Tests, die häufig dazu führten, dass Kunden bereits vereinbarte Termine kurzfristig stornierten. „Wir freuen uns, dass auf Anregungen der Handwerkskammern hin eine verbraucher- und betriebsfreundlichere Praxis möglich geworden ist“, sagt Herrmann und fügt hinzu: „Es wird noch eine Weile dauern, bis von einem Normalbetrieb gesprochen werden kann.“

An Zuversicht mangelt es nicht. Die Handwerksbetriebe gehen recht optimistisch in das Sommerquartal. Allen voran die Dienstleister, die mit plus 26,5 Punkten sowohl den höchsten Erwartungsindex aller Branchen als auch den höchsten Zuwachs verzeichnen. Auch die Maurer, Zimmerer und Dachdecker, wie auch die Ausbaubetriebe, rechnen mit einer guten wirtschaftlichen Entwicklung. Vergleichsweise verhalten fällt die Prognose der Autohäuser und Kfz-Werkstätten aus, bei denen sich Optimisten und Pessimisten die Waage halten. Der Konjunkturindikator der Handwerkskammer Reutlingen, der aus Lagebeurteilungen und Erwartungen gebildet wird, liegt bei plus 33,7 Punkten (Vorjahresquartal: plus 14,4 Punkten).

Die 13.500 Handwerksbetriebe in den Landkreisen Freudenstadt, Reutlingen, Sigmaringen, Tübingen und Zollernalb erwirtschaften einen Umsatz von 10,3 Milliarden Euro, beschäftigen über 80.000 Mitarbeiter und bilden über 4.500 junge Menschen aus.

Den detaillierten Konjunkturbericht finden Sie unter www.hwk-reutlingen.de/konjunktur.