Geigenbaumeister Johannes Galic in seiner Tübinger Werkstatt.

04.04.2014

Vom Lesen der Hölzer

Johannes Galic führt vermutlich eine der kleinsten Werkstätten in der Region. Der Geigenbaumeister hat im Nonnenhaus in der Tübinger Altstadt, einem Fachwerkgebäude aus dem 15. Jahrhundert, ein Domizil gefunden. Auf wenigen Quadratmetern drängen sich zwei Arbeitsplätze und ein kleiner Präsentationsraum. „Der Geigenbau zählt zu den Gewerken, die am Küchentisch ausgeübt werden können“, meint Galic.

Galic baut, repariert und restauriert Geigen, Bratschen und Celli. Je nach Ausführung liegt der Arbeitsaufwand für einen Neubau zwischen 150 und 250 Stunden. Alle Instrumente sind Unikate, die nach Kundenwunsch gefertigt werden. Ihr Klang entsteht aus dem Zusammenspiel vieler Komponenten: Hölzer, Proportionen, Lack und handwerkliche Kunstfertigkeit entscheiden über Tonvolumen, Differenzierung und Charakter des Instruments. „Man muss das Holz lesen können wie ein Buch, um das Potential erschließen zu können“, sagt Galic. Den Rohstoff, Fichte und Ahorn, bezieht er wie bereits Antonio Stradivari aus Wäldern im Gorski-Kotar-Gebirge in Kroatien.

Auf Auslandsaufenthalten in Moskau und London und als Restaurator im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg hat Galic sich mit den Arbeiten der altitalienischen Meister beschäftigt. Dieses Knowhow schätzen Musiker aus aller Welt. Manches davon behält der Tübinger lieber für sich. Nicht einmal die Mitarbeiter kennen die Rezeptur der Lacke.

Der Markt für hochwertige Instrumente ist klein. Das Gros der Aufträge kommt über Empfehlungen zustande. Der Geigenbau sei von der Konjunktur unabhängig, so Galic. Nicht aber von der Bildungspolitik: mit der Verkürzung des Gymnasiums auf acht Jahre ist die Nachfrage nach Schülerinstrumenten in der Universitätsstadt eingebrochen. „Die Kinder haben keine Zeit mehr zum Üben.“

www.geigenbau-galic.de