Dr. Petra Erler, Kabinettschefin im Kabinett von EU-Vizepräsident Günter Verheugen und diesjährige Festrednerin bei der Meisterfeier, im Gespräch mit Joachim Möhrle, Präsident der Handwerkskammer Reutlingen.

21.11.2007

Aufwärtstrend bei Meisterzahlen

Joachim Möhrle, Präsident der Handwerkskammer Reutlingen, beglückwünschte vor rund 900 geladenen Gästen - darunter Festrednerin Dr. Petra Erler, Kabinettschefin im Kabinett von EU-Vizepräsident Günter Verheugen - in der Reutlinger Friedrich-List-Halle 276 frischgebackene Handwerksmeisterinnen und -meister.

Waren es im vergangenen Jahr noch insgesamt 266 neue Meisterinnen und Meister, konnte Möhrle bei der diesjährigen Meisterfeier 44 Frauen und 232 Männer zur bestandenen Meisterprüfung gratulieren.

Möhrle: „Nach all den Jahren rückläufiger Meisterzahlen würde ich mich sehr freuen, wenn sich dieser Aufwärtstrend fortsetzen würde.“

Was ihn besonders freue sei die Tatsache, dass die Meisterprüfung auch weiterhin in den Berufen gemacht werde, in denen er nach der neuen Handwerksordnung gar nicht mehr gefordert werde. Hier könnten zum Teil deutliche Steigerungsraten vorgewiesen werden. Erfreulich sei außerdem, dass mit 44 Meisterinnen der Anteil der Frauen in diesem Jahr so hoch wie noch nie zuvor war.

„Unsere jungen Meisterinnen und Meister haben alle unsere Unterstützung verdient“, meinte Möhrle. Als handwerkliche Unternehmer müssten sie „Alleskönner“ sein, und deshalb werde von ihnen sowohl in technischer als auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht viel verlangt. Aber hier ende nicht die Verantwortung: Die Mitarbeiter in den Unternehmen erwarteten einen sicheren Arbeitsplatz, Teilhabe am Erfolg und sozialen Schutz. „Allein die Entwicklung der Arbeitsplätze im Handwerk im Vergleich zu anderen Branchen und die hohe Ausbildungsbereitschaft im Handwerk – heute muss man sagen: zumindest im meisterpflichtigen Handwerk – sind ein sichtbares Zeichen dafür, dass sich unsere Meister dieser Verantwortung gegenüber der Gesellschaft stellen“, so Möhrle.

Umso mehr wünsche er sich eine mittelstandsfreundliche Politik, und widmete sich in seiner Rede insbesondere der Europapolitik - hatte er mit Petra Erler doch eine hochrangige Repräsentantin und äußerst kompetente Fachfrau aus Brüssel zu Gast. Erfreulich sei, dass die EU den Meisterbrief jüngst als Spitzenqualifikation anerkannt hat. Er werte diese Entscheidung als „klares Bekenntnis zum Meisterbrief als einer Qualifikation, die für andere Länder Vorbildcharakter hat“.

Doch nicht immer biete Brüssel dem Handwerk Grund zur Freude. So nannte Möhrle die Antidiskriminierungsrichtlinien „selbst ziemlich diskriminierend – und zwar für Kleinbetriebe“. In den Richtlinien gebe es keine Erleichterungen für kleinere und mittlere Unternehmen, deren Strukturen sich fundamental von denen großer Unternehmen unterschieden.

„Äpfel mit Birnen nicht nur verglichen, sondern in einen Topf gesteckt“, dieses Urteil hatte Möhrle für die Pläne der EU-Kommission parat, das soziale Engagement von Unternehmen zum Bewertungskriterium bei der Vergabe von Aufträgen zu machen. Es sei alles andere als sozial, die Unterschiede außer Acht zu lassen, die in den finanziellen Möglichkeiten für soziales Engagement zwischen Konzernen und Kleinbetrieben bestünden. „Auch Handwerker engagieren sich, aber auf ihre Art und im Rahmen ihrer Möglichkeiten“, sagte Möhrle. „Dieses Engagement ist nicht weniger wert als die Kunststiftung eines Weltkonzerns – und muss auch so gewichtet werden.“

Klare Worte fand Möhrle auch für die Anregung der EU, selbst kleinste Aufträge europaweit auszuschreiben. Das sei für das Handwerk „nicht akzeptabel“, denn „gerade die beschränkte Ausschreibung kleiner und mittlerer Aufträge ist für die Förderung des regionalen Mittelstands unverzichtbar“. Handwerker seien der Reichtum des Landes: „Sorgen wir dafür, dass wir diesen Reichtum nicht verschleudern – und zwar mit einer Politik, die dem Mittelstand unter die Arme greift, statt ihm Steine in den Weg zu werfen.“

Die Namen der Meister des Jahrgangs 2007 sowie der Preisträger und Repräsentanten finden Sie hier als pdf: