11.05.2005

Besuch aus Szolnok

Kürzlich waren wieder Mitglieder der Wirtschaftskammer Szolnok unter der Leitung von Präsident Dr. András Sziráki zu Besuch bei der Handwerkskammer Reutlingen.

Die Handwerkskammer Reutlingen tauscht bereits seit mehreren Jahren regelmäßig Erfahrungen mit den ungarischen Kollegen aus. Darüber hinaus bildet sie seit der Wende Multiplikatoren in handwerklichen Berufen aus und bietet Unterstützung in der Weiterbildung direkt vor Ort an, und zwar durch die Entsendung von Ausbildern nach Ungarn.

Sziráki hob die Bedeutung dieses Austausches hervor. Die ungarische Wirtschaft sei nach wie vor von Deutschland abhängig, und insofern seien auch die aktuellen wirtschaftlichen Probleme Deutschlands den Ungarn nicht gleichgültig.

Nach wie vor, so Sziráki, sei für ihn auch das deutsche Kammersystem ein Vorbild. Die Politik in Ungarn sehe das jedoch anders: Die wirtschaftliche Selbstverwaltung sei ihr ein Dorn im Auge, obwohl der Staat durch die Selbstverwaltung – wie z. B. in Deutschland – deutlich Geld sparen könne.

In Ungarn sei durch die Zusammenlegung von Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern vor fünf Jahren darüber hinaus der Einfluss des Handwerks deutlich zurückgegangen. Durch den Zusammenschluss habe es insbesondere zu Beginn Spannungen gegeben, die von den unterschiedlichen Strukturen handwerklicher und industrieller Betriebe herrührten.

Außerdem sei durch den Wegfall der Pflichtmitgliedschaft alles deutlich bürokratischer geworden. Bei den staatlichen Behörden herrsche eben kein Unternehmergeist, und alle Verfahren hätten sich deutlich verlangsamt.

Ein weiteres Problem sei die festzustellende Dequalifizierung durch den liberalisierten Umgang mit der Meisterprüfung in einigen Handwerken. In Ungarn müsse man aber offensichtlich erst diese Erfahrung machen, um dann festzustellen, dass man ohne umfassende betriebswirtschaftliche und handwerkliche Kenntnisse nicht weiterkomme.

Auf dieses Thema ging dann Roland Haaß, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Reutlingen, ein. Durch die vor eineinhalb Jahren novellierte Handwerksordnung sei auch in Deutschland in vielen Berufen die Meisterprüfung nicht mehr Voraussetzung für die Gründung eines Betriebes.

Insbesondere in den Fliesenleger-, Raumausstatter und Gebäudereiniger-Handwerken seien zwar zahlreiche neue Betriebe entstanden. Es sei allerdings zu befürchten, dass einerseits eine deutliche Verringerung handwerklicher Qualität durch schlecht oder gar nicht ausgebildete Betriebsinhaber zu erwarten sei, und dass andererseits ein gnadenloser Konkurrenzkampf, der über Preisdumping geführt werde, die Folge sein werde.

Nach einem Besuch im Bildungs- und Technologie-Zentrum (BTZ) in Tübingen, bei dem über das Ausbildungssystem in Deutschland informiert wurde, wurde dann das nächste Treffen der beiden Kammern vereinbart.