Dr. Joachim Eisert, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Reutlingen: „Den Worten müssen endlich Taten folgen.“

29.05.2007

Deutliche Kritik an EU

[032/07] Dr. Joachim Eisert, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Reutlingen, hat EU-Kommissar Günter Verheugen (SPD) in einem Brief aufgefordert, sich mehr für die Belange kleiner und mittlerer Unternehmen einzusetzen. „Den Worten müssen endlich Taten folgen“, schreibt er.

Der Brief an EU-Kommissar Günter Verheugen lässt es an Deutlichkeit nicht mangeln: „Die EU lässt den Schwanz mit dem Hund wedeln“, heißt es.  Obwohl die Großunternehmen  weniger als zwei Prozent und damit die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mehr als 98 Prozent der Betriebe stellten, habe die Rechtsetzung der EU die Belange von KMU in der Vergangenheit  „überhaupt nicht oder weitgehend nicht berücksichtigt“, so der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Reutlingen.

Anlass des Briefs an Verheugen ist der Auftritt des EU-Kommissars auf der Europäischen Handwerkskonferenz in Stuttgart. Dort hatte er betont, der Kommission sei die Berücksichtigung der Belange von KMU ein Anliegen. Für Eisert erscheint die EU auf diesem Gebiet jedoch „in einem ziemlich schlechten Licht“. Beispiel: die Antidiskriminierungsrichtlinien. Hier sei die  EU nicht auf die Unterschiede zwischen Konzernen und Kleinstbetrieben eingegangen. Da es im Antidiskriminierungsrecht keine  Erleichterungen für Arbeitsverhältnisse in KMU gebe, litten diese besonders an dem von Brüssel vorgegebenen „Überformalismus“, der für Großfirmen deutlich besser zu verkraften sei.

Auch die EU-Pläne zur „Corporate Social Responsibility“ kritisiert der Brief. Die Kommission will das soziale Engagement von Unternehmen zu einem wesentlichen Bewertungskriterium zum Beispiel bei der Vergabe von Aufträgen zu machen. Vor einer verbindlichen Richtlinie warne das Handwerk mit Nachdruck, so Eisert: „Auch hier bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den finanziellen Möglichkeiten des Sozialengagements eines Konzerns und eines Kleinbetriebes.“ Handwerksbetriebe agierten häufig im lokalen Umfeld und engagierten sich in Vereinen oder durch gemeinnützige Renovierungen – allesamt Aktionen, die in einer verbindlichen Richtlinie vermutlich wenig Gewicht hätten.

Kritik erntete die EU auch für ihre ursprünglichen Pläne einer Richtlinie zum besseren Schutz der Arbeitnehmer vor optischer Strahlung. Im ersten Entwurf war vorgesehen, diesen Schutz auch auf natürliches Licht auszuweiten – gerade für kleine Betriebe hätte allein der Dokumentationsaufwand und die Pflicht zur Risikobewertung „jedes flexible Auftragsmanagement unmöglich gemacht“.  Dank konzertierter Proteste der Handwerksaktionen sei diese Überregulierung gestrichen worden, „die völlig an den Interessen von kleinen und mittleren Betrieben des Bauhandwerks“ vorbei ginge.

Ebenfalls völlig neben deren Interessen liege die Interpretation der EU zum öffentlichen Vergaberecht, nach der selbst Kleinstaufträge europaweit auszuschreiben wären. Dabei sei „speziell die beschränkte Ausschreibung kleiner und mittlerer Aufträge ein wichtiges Kriterium zur Förderung des regionalen Mittelstands“, schreibt Eisert. Seine klare Forderung an Verheugen: „Lassen Sie Ihren Worten Taten folgen.