Hannelore Kilian übergab den Meisterbrief ihres Ehemanns an Präsident Harald Herrmann und Hauptgeschäftsführer Dr. Joachim Eisert. Selbstverständlich hat sie zuvor eine Kopie anfertigen lassen, die in Kalifornien bleibt.

27.09.2016

Ein „Motor“ aus Schwaben

Vier Wochen war Hannelore Kilian aus dem kalifornischen Beaumont in diesem Sommer auf großer Deutschlandreise unterwegs. Zwischen Kurzvisiten in Heidelberg, München, Dresden und Berlin und dem Wiedersehen mit Verwandten nahm sie sich Zeit für einen Abstecher zur Handwerkskammer Reutlingen. Im Gepäck einen Meisterbrief.

In den Nachkriegsjahren suchten viele junge Deutsche ihr Glück im Ausland, etwa in den Vereinigten Staaten, in Australien und in Kanada. Zu ihnen gehörte der damals 24-Jährige Reinhold Kilian aus Tübingen. Kurz nach dem Abschluss seiner Meisterprüfung im Metzger-Handwerk im Jahr 1954 brach er seine Zelte ab und wanderte nach Kanada aus.

Der Neubeginn in einem fremden Land sei alles andere als einfach gewesen, berichtete Hannelore Kilian. Der Sprache nicht mächtig und auf sich allein gestellt, machte sich dann auch bald Ernüchterung breit. Hinzu kam auch das Heimweh nach der Familie. Aufgeben und in die Heimat zurückkehren war für Reinhold Kilian jedoch ausgeschlossen. Schon weil er den Vater nicht um Geld für die Rückreise bitten wollte.

Mit Fleiß und einer großen Portion Durchhaltevermögen gelang es ihm schließlich doch, in Kanada Fuß zu fassen und sich ein Leben aufzubauen. Er sei ein erstklassiger Wurstmacher gewesen, so Hannelore Kilian, dessen handwerkliches Können überall große Anerkennung fand. Denn Kanada blieb nicht die einzige Station des Metzgermeisters in Nordamerika.

Kilian ging nach Michigan, wanderte also ein zweites Mal aus. Von dort ging es weiter nach Kalifornien, wo er zuletzt als Meat Cutter in einem Supermarkt arbeitete. Dass mit Kilian ein echter Schaffer am Werk war, der nicht nur sein Handwerk beherrschte, sondern auch schwäbische Arbeitstugenden mitbrachte, blieb seinen Arbeitskollegen nicht verborgen. Sie fanden für ihn den treffenden Beinamen „der Motor“.

Sein privates Glück fand Kilian mit seiner Frau Hannelore. Der Schwabe und die gebürtige Berlinerin, die 1952 als Kind mit ihren Eltern nach Kanada gekommen war, heirateten im Jahr 1957. Der alten Heimat sind beide ihr Leben lang verbunden geblieben. Hannelore Kilian, Technikerin im Dienst der US-amerikanischen Luftwaffe, war einige Zeit in Zell an der Mosel stationiert. Tübingen, Reutlingen, die Achalm und die anderen Orte, von denen ihr Mann häufig erzählte, lernte sie auf zwei Reisen kennen.

Reinhold Kilian verstarb im vergangenen Jahr. Ihm hätte die Idee seiner Ehefrau, dass sein Meisterbrief wieder dorthin zurückkehrt, wo er mit Datum 9. März 1954 ausgestellt worden ist, bestimmt gefallen. Ein passender Platz ist bereits gefunden. Die gerahmte Urkunde wird künftig im Büro des Hauptgeschäftsführers hängen.