Präsident Harald Herrmann.

25.01.2017

„Einfache Lösungen gibt es nicht“

„Eigentlich müssten wir alle mit der derzeitigen Situation zufrieden sein“, bekannte Harald Herrmann, Präsident der Handwerkskammer Reutlingen, beim Neujahrsempfang von Handwerkskammer und IHK in der Stadthalle Reutlingen.

2016 sei ein Erfolgsjahr für die deutsche Wirtschaft mit hohen Beschäftigtenzahlen und steigenden Realeinkommen gewesen, das „stärkste Jahr seit der Wende“. Doch in die Freude über die hervorragende Bilanz mische sich zunehmend die Sorge über künftige politische und gesellschaftliche Entwicklungen im Land, in der Europäischen Union und darüber hinaus.

Die Entscheidung der Briten, aus der Europäischen Union auszutreten, werde zwangsläufig zu einer Debatte über die Ziele und die Strukturen der Gemeinschaft führen. Eine selbstkritische Bestandsaufnahme sei notwendig, so Herrmann.

Doch das europäische Projekt insgesamt sei gefährdet. „Meine große Angst besteht darin, dass andere Mitgliedsstaaten dem britischen Weg folgen könnten“, sagte Herrmann. Die Abkehr von der Internationalisierung und freiem Warenverkehr, wie sie der neue US-Präsident Donald Trump zum Zukunftsprogramm erhoben habe, sei in jedem Fall schädlich für die Wirtschaft. Einfache Lösungen würden den anstehenden komplexen Herausforderungen nicht gerecht.

Mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen und die Bundestagswahl appellierte Herrmann an die etablierten Parteien, die Sorgen und Ängste der Wähler ernst zu nehmen. „Es bleibt zu hoffen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes nicht zu einer Protestwahl verleiten lassen.“

Zu den großen Herausforderungen, denen sich die Wirtschaft stellen müsse, zähle der Fachkräftemangel. Aufgrund der demografischen Entwicklung fehlten bis zum Jahr 2025 rund 100.000 qualifizierte Arbeitnehmer. Der Trend zu höheren Schulabschlüssen und Studium, so Herrmann, mache es immer schwieriger, junge Leute für eine duale Ausbildung zu gewinnen. Herrmann forderte ein Umdenken in der Gesellschaft: „Wenn es in manchen Fächern 40 bis 50 Prozent Studienabbrecher gibt, verschwenden einfach zu viele junge Menschen ihre Zeit.“

Wenig Verständnis kann Herrmann für die von Sozial- und Arbeitsministerin Andrea Nahles geplante Erweiterung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes aufbringen. Vor allem kleine Betriebe würden mit einem hohen Organisations- und Planungsaufwand belastet, um das befristet ausfallende Arbeitsvolumen adäquat zu ersetzen.

Der Entwurf sei daher nicht praxisgerecht, kritisierte Herrmann und fügte hinzu: „Das Gesetz wäre ein Privileg einzelner Gruppen zu Lasten der anderen Beschäftigten und der Betriebe.“