18.07.2007

Kritik an Veranstaltung des Landesschulbeirats: Eindimensionale Sicht

[047/07]„Es ist erstaunlich, dass der Kongress zur Zukunft der Hauptschülerinnen und Hauptschüler in Reutlingen-Rommelsbach ausgerechnet ohne die Vertreter des Handwerks stattfindet“, meint Joachim Möhrle, Präsident der Handwerkskammer Reutlingen. Denn: „Das Handwerk bildet im Verhältnis doppelt so viele Hauptschüler wie die Industrie aus.“

Darüber hinaus entscheide sich nach wie vor das Gros der Hauptschüler für eine handwerkliche Ausbildung. „Die Diskussion um die Hauptschule betrifft das Handwerk also geradezu elementar“, so Möhrle. „Es ist mir daher ein Rätsel, wie dieser Kongress ohne Gesprächspartner aus dem Handwerk die Erwartungen der Wirtschaft an die Hauptschulen herausfinden will, wie es im Programm angekündigt ist.“

Gerade das Handwerk habe ein großes Interesse an der Zukunft der Hauptschule, seien doch für die Betriebe qualifizierte Absolventen dieses Schultyps von zentraler Bedeutung. Die seien jedoch immer schwerer zu finden. „Ihre mangelnde Ausbildungsfähigkeit ist aber nicht allein Schuld der Jugendlichen, sondern hier ist die Politik in der Pflicht.“

Das Handwerk habe bisher alle großen Schulreformen mitgetragen, „keine davon vermochte jedoch die grundlegenden Probleme der Hauptschule zu lösen.“ Die nun von Kultusminister Helmut Rau geplante Aufteilung der Hauptschule in Praxiszug und Werkrealschule sei zwar möglicherweise ein erster Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sei zu befürchten, dass sie eher an den Symptomen herum laboriere als wirklich strukturelle Veränderungen zu bringen. Die geplante weitere Differenzierung könne vielmehr eine weitere Selektion und für einen Teil der Schüler das endgültige Abrutschen in eine Restschule bedeuten.

„Unserer Meinung nach trennt das dreigliedrige Schulsystem die Schüler viel zu früh“, führt Möhrle weiter aus. Dadurch werde heute bereits stigmatisiert, wer es „nur“ auf die Hauptschule schaffe. „Deswegen plädieren wir dafür, Kinder früher zu fördern und länger zusammen lernen zu lassen.“

Allerdings wolle das Handwerk sich nicht politisch instrumentalisieren lassen. Möhrle „Wir propagieren kein linksideologisches Gesamtschulschulkonzept, das individuelle Unterschiede ausblenden will. Im Gegenteil. Unser Modell zielt auf eine grundlegende strukturelle Reform des Schulsystems. Es kommt darauf an, die Chancen junger Menschen zu verbessern mit einer Schulform, die zukunftsfähig ist.“ 

Das pädagogisch sinnvolle Prinzip sei nicht Auslese, sondern „gemeinsames Lernen bis zum 10. Schuljahr und individualisierte Förderung“. Die empirische Bildungsforschung habe belegt, dass allein schon die Anwesenheit leistungsstärkerer Schüler zu besseren Lernfortschritten führt – und das ohne Nachteil für die Leistungsstärkeren. „Wir hätten uns daher sehr gewünscht, diesen Ansatz auf solch einem Podium zumindest zur Diskussion stellen zu können“, so Möhrle.