01.12.2005

Mittelstandspolitische Schwerpunkte

„Ich freue mich persönlich ganz besonders, dass es den Handwerksorganisationen gelungen ist, ihre Vorschläge bei einer Vielzahl von Vorhaben durchzusetzen“, sagte Präsident Joachim Möhrle in seiner Begrüßungsrede bei der Wintervollsammlung der Handwerkskammer Reutlingen.

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD setze deutliche mittelstandspolitische Schwerpunkte, so Möhrle weiter. Wenn er die Vereinbarung deshalb grundsätzlich optimistisch werte, dann beziehe sich das jedoch nicht nur auf die Aussagen der schriftlichen Vereinbarung, sondern unter anderem auch darauf, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel dem Handwerk vor allen anderen Wirtschaftsorganisationen den Vorrang gegeben habe.

Bei ihrem Auftritt vergangene Woche in Düsseldorf im Rahmen der Vollversammlung des Deutschen Handwerkskammertages (DHKT) habe sie den Eindruck vermittelt, dass sie deutlich aufgeschlossener als die bisherige Regierung gegenüber den Interessen des Handwerks eingestellt sei.

Verbesserte Abschreibungsbedingungen zur Stärkung gewerblicher Investitionen, eine gezieltere Ausrichtung öffentlicher Förder- und Finanzierungsinstrumente auf Handwerk und Mittelstand, die Steigerung der zusätzlichen privaten Nachfrage nach Handwerksleistungen durch die steuerliche Absetzbarkeit handwerklicher Modernisierungs- und Renovierungsarbeiten im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen, das angekündigte Programm zur Förderung der "energetischen Gebäudesanierung" - all dies seien Maßnahmen, die dem Handwerk direkt zu Gute kommen können.

Auch auf die seit Jahren bekannte Liquiditätsschwäche der Betriebe werde reagiert, indem in einem ersten Schritt im Bereich der Umsatzsteuer der Schwellenwert zur Ist-Besteuerung auf 250.000 Euro in den alten Bundesländern festgelegt werde.

Möhrle: „Ein weiteres wichtiges Instrument zur Liquiditätsstärkung ist die vom Handwerk seit langem vorgeschlagene degressive Abschmelzung der Erbschaftssteuer über zehn Jahre bei Fortbestand eines Betriebes. Damit werden eindeutig Betriebsübernahmen erleichtert.“

Eine intensivierte Bekämpfung des Missbrauchs der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Union, eine Überarbeitung der geplanten Dienstleistungsrichtlinie mit dem Herkunftslandsprinzip, die Verankerung mittelstandsfreundlicher Bedingungen bei der geplanten Modernisierung des Vergaberechts, die Öffnung der Hochschulen auch für Meister - Themen wie diese würden die richtige Stoßrichtung vorgeben.

Kritik an Mehrwertsteuererhöhung
Möhrle kritisierte jedoch erneut die angekündigte Anhebung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent. Von dieser Mehrwertsteuererhöhung erhalte nur die Schwarzarbeit zusätzliche Impulse. Der ‚Wachstumsmotor Mittelstand’ würde durch diese Maßnahme hingegen einen Dämpfer erhalten.

Selbst wenn durch diese Ankündigung Investitionen in das Jahr 2006 vorgezogen würden, so sei keineswegs sicher, dass 2006 die Konjunktur genügend Fahrt aufnehmen könne, um dann 2007 die Mehrwertsteuererhöhung und die Ausgabenkürzungen wegzustecken.

Möhrle: „Der umgekehrte Ansatz wäre für das Handwerk sinnvoll: arbeitsintensive Leistungen sollten nur mit einem reduzierten Mehrwertsteuersatz veranlagt werden, wie es in anderen europäischen Ländern bereits erfolgreich getestet wurde und wie es die britische Ratspräsidentschaft aktuell vorschlägt.“

Eine weitere erfreuliche Nachricht für die Betriebe konnte Hauptgeschäftsführer Roland Haaß verkünden: "Der Beitrag der Handwerkskammer Reutlingen bleibt zum sechsten Mal unverändert."