Möglicherweise bald ein Team: Geschäftsführer Alexander Chini und Tochter Carolina, José Manuel Pizarro Rodríguez, Jesús Fernando Soberón, Bauleiterin Margot Bader und Seniorchef Alfred Chini.

30.03.2012

"Oferta de empleo" aus dem Schwarzwald

Zwei Jahre suchte Alexander Chini aus Freudenstadt vergeblich nach Fachkräften. Schließlich inserierte der Geschäftsführer eines Fliesen- und Fußbodenbaubetriebs in Spanien. 460 Bewerber meldeten sich auf das Stellenangebot aus dem Nordschwarzwald.

Klaus-Peter Seyfried von der Arbeitsagentur Nagold kennt das Problem nur zu gut. Seyfried ist Ansprechpartner für Bau- und Ausbaufirmen, wenn es um die Vermittlung von Fachkräften geht. Und die gelingt seit geraumer Zeit immer seltener: „In einzelnen Handwerksberufen ist der regionale Arbeitsmarkt praktisch leergefegt.“ Dies gelte für Fliesenleger, aber auch für andere Gewerke, wie Maurer und Elektrotechniker. Die Konsequenz: Trotz solider Auftragslage können Stellen nicht mehr besetzt werden. „Es handelt sich um ein spezifisch süddeutsches Problem“, betont Seyfried. Im Norden und Osten der Republik sei die Lage anders, wenn auch nicht unbedingt einfacher.

Nach zweijähriger erfolgloser Suche entschied sich Alexander Chini Ende Februar, etwas Neues zu versuchen. Der Meister im Estrichleger-Handwerk erweiterte seinen Suchradius. Die Wahl fiel auf Spanien. Die Auslands- und Fachvermittlung der Arbeitsagentur in Bonn kümmerte sich um die Ausschreibung und die Verbreitung des Angebots in den spanischen Stellenmärkten. Die Resonanz war überwältigend. Innerhalb einer Woche gingen 460 Bewerbungen ein.

Flugticket inklusive

Nach einer ersten Sichtung wurden schließlich rund 50 Bewerbungen nach Freudenstadt übermittelt. „Im Regelfall werden Ingenieure und Pflegekräfte über diesen Service gesucht“, sagt Arbeitsvermittler Seyfried. Dass ein Handwerksbetrieb diesen Weg wählt, sei trotz zunehmender Schwierigkeiten, Fachpersonal zu finden, nach wie vor „absolut ungewöhnlich“. Die nächsten Schritte: Kandidaten sichten und einladen, Anreise, Unterkunft und Rückkehr organisieren, einen improvisierten Arbeitsplatz einrichten. Die Kosten für Flug und Zimmer trägt das Unternehmen.

Jesús Fernando Soberón und José Manuel Pizarro Rodríguez haben sich auf den Weg nach Freudenstadt gemacht. Für die beiden Mittvierziger ist Deutschland kein völlig unbekanntes Land. Rodríguez verbrachte einen Teil seiner Kindheit im hessischen Mittelstadt, Soberón arbeitete mehrere Monate in Pasewalk, Mecklenburg-Vorpommern. Eine Lehre nach deutschen Maßstäben können die beiden nicht vorweisen, dafür bringen sie viel Erfahrung mit. Letztlich komme es auf die Qualität der Arbeit an, sagt Chini, der sich auf Industriefußböden und -estriche und hochwertige Fliesenarbeiten spezialisiert hat: „Wir haben anspruchsvolle Kunden.“

Der Vorstellungstermin besteht vor allem aus praktischer Arbeit. Für die reibungslose Verständigung sorgt an diesem Tag Tochter Carolina Chini, beeidigte Urkundenübersetzerin und Verhandlungs-Dolmetscherin für Spanisch. Die Sprache ist eine Hürde, die Kenntnis der eingesetzten Materialien eine andere. „Manches, was für uns alltäglich ist, wird in spanischen Badezimmern und Küchen nicht verbaut“, stellt Alexander Chini fest.

Keine Jobs in der Heimat

Die erste Aufgabe, ein Knopfmosaik, haben die beiden Bewerber bereits gelöst. Jetzt soll eine Holzwand in einem vorgegeben Muster gefliest werden. Die Entscheidung, es in Deutschland zu versuchen, sei ihm nicht schwer gefallen, meint Rodríguez. „In Spanien gibt es im Moment keine Zukunft.“ Nach Angaben der nationalen Statistikbehörde liegt die Arbeitslosenquote zurzeit bei 22,9 Prozent. Bei den 16- bis 24-Jährigen sieht es noch schlechter aus. Fast jeder Zweite findet keinen Job. Rodríguez wäre bereit, sofort anzufangen. Soberón ebenso. Er ist seit fünf Monaten arbeitslos. In Deutschland zu arbeiten, eröffne ihm die erhoffte Perspektive.

Der Probearbeitstag jedenfalls verlief erfolgreich. Rodríguez und Soberón konnten ihren potenziellen neuen Arbeitgeber vollauf überzeugen. Im 1913 gegründeten Traditionsbetrieb ist eine Stelle zu besetzen. „Je nach Auftragslage können es auch zwei werden“, meint Firmenchef Chini. Diese Frage soll in den nächsten Tagen geklärt werden. Dann könnte sich der Einsatz für alle Beteiligten gelohnt haben. Angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt, glaubt Chini, seien die Betriebe stärker als bisher gefordert, aktiv zu werden. Sei es bei der Nachwuchswerbung oder bei der Suche nach berufserfahrenen Fachkräften. „Wir müssen künftig mehr investieren.“

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