Annette Beermann (Referat Bonitätsanalyse und Wertpapiere der Deutsche Bundesbank Stuttgart), Hermann Rieker (Leiter der Filiale Reutlingen der Deutschen Bundesbank), Sylvia Weinhold (Geschäftsführerin Unternehmensberatung der Handwerkskammer Reutlingen), Irmgard Freidler (Geschäftsführerin Alb-Gold) und Wolfgang Schnaufer (Leiter des Referats Bonitätsanalyse und Wertpapiere der Deutschen Bundesbank Stuttgart, v. li. n. re.).

30.06.2011

Rating zum Nulltarif

Rating ist etwas, was seit einigen Jahren bereits alle Betriebe angeht – also natürlich auch Handwerksbetriebe. Jedes Kreditinstitut muss inzwischen bei Kreditvergaben eigene Bilanzanalysen vornehmen. Dazu sind alle Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken aber auch die größeren Geschäftsbanken gesetzlich verpflichtet. Was offensichtlich wenige Handwerker wissen: Sie können, ja sie sollten in jedem Fall das Rating ihrer Hausbank einfordern, um genau zu wissen, wie das Kreditinstitut den eigenen Betrieb einschätzt.

Die Handwerkskammer Reutlingen hatte nun gemeinsam mit der Deutschen Bundesbank im Rahmen der Finanzierungsoffensive der baden-württembergischen Handwerkskammern zu einer Veranstaltung in die Firma Alb-Gold nach Trochtelfingen eingeladen. Von den 70 angemeldeten Betrieben waren schließlich rund 50 gekommen, um sich über die Bonitätsanalyse der Deutschen Bundesbank zu informieren.

Weshalb noch ein Rating?

Weshalb sollten sich nun Handwerksbetriebe dem Rating der Deutschen Bundesbank stellen – interessieren sich „die“ nicht doch eher nur für die großen Betriebe? Wolfgang Schnaufer, Leiter des Referats Bonitätsanalyse und Wertpapiere in Stuttgart, machte klar, dass die Bundesbank das „Thema in die Fläche tragen“ will – und dass sie natürlich auch mehr kleinere, mittelständische Betriebe als bislang erreichen will.

Bundesweit würden bisher 30 000 Firmen das Angebot nutzen, landesweit seien es etwa 5 000. Die Daten, die die Bundesbank bei ihren Auswertungen sammelt, sind zum Beispiel Grundlage für Branchenvergleiche, statistische Erhebungen und nicht zuletzt für finanzpolitische Entscheidungen.

Das besondere an dem Angebot der Bundesbank: es ist kostenlos – und zwar ohne jegliche Hintertürchen. Selbstverständlich würden alle Daten „streng vertraulich behandelt und in anonymisierter Form weiterverwendet“, betonte Annette Beermann, Expertin für Bonitätsanalysen und Wertpapiere bei der Deutschen Bundesbank in Stuttgart. Das Bonitätsschreiben werde auch nicht an das Finanzamt weitergegeben, versicherte sie. Im Internet veröffentlicht die Bundesbank allerdings ein Namensverzeichnis aller „notenbankfähigen“ Unternehmen.

Ein Gütesiegel

„Unser Testat wirkt wie ein Gütesigel, damit kann man Vertrauen schaffen“, kam Annette Beermann auf die Vorzüge einer unabhängigen Bonitätsanalyse zu sprechen. Bei Kreditverhandlungen mit der Hausbank sei „notenbankfähig“ in der Regel ein gutes Argument, ist sie überzeugt. Für die Deutsche Bundesbank gehören Bonitäts-Urteile im Übrigen schon lange zum Tagesgeschäft. Ihr Testat „notenbankfähig“ habe europaweit Gewicht und einen guten Klang.

Die Ratingtabelle der Deutschen Bundesbank kennt sieben Stufen: „Notenbankfähig“ sind Firmen zwischen 1 und 4. Note 1 steht für ein Kreditausfall-Risiko von 0,1 Prozent und entspricht etwa dem AAA-Rating von Standard & Poor’s; Note 4 mit einem Kreditausfall-Risiko von 0,4 Prozent wäre BBB (+/-1 Stufe) gleichzusetzen. Andere Banken verwenden wiederum andere Einstufungen, die sich jedoch ebenfalls mit den Ergebnissen der Ratingagenturen vergleichen lassen.

Die Auswertung der Bilanz

Im Mittelpunkt der Bonitätsanalyse steht die Auswertung von Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung. Sinnvoll sei es, zwei, besser drei Jahresabschlüsse zur Verfügung zu haben, erläuterte Annette Beermann. Bei Firmenneugründungen ist keine Bewertung möglich. Anhand der Bilanzahlen und weiterer Unternehmens-Merkmale errechnen Finanzmathematiker eine Reihe von aussagekräftigen Kennzahlen, etwa zur Betriebsrendite, zur Schuldentilgungs-Fähigkeit oder zur Eigenkapitalquote, die den Unternehmen als Faktenblatt zur Verfügung gestellt werden.

Finanzierung werde im Handwerk traditionell vernachlässigt, hatte Sylvia Weinhold, Geschäftsführerin Unternehmensberatung der Handwerkskammer Reutlingen, zu Beginn bereits festgestellt. Mit diesem Angebot hätten auch Handwerksbetriebe nun eine sehr gute Gelegenheit, sich von einer unabhängigen Stelle ohne finanzielle Absichten bewerten zu lassen.

Ansprechpartnerin ist Bianca Schütz, Geschäftsbereich Untennehmensberatung, Telefon 07121 2412-134, bianca.schuetz(at)hwk-reutlingen.de.