14.07.2005

Sommervollversammlung der Handwerkskammer Reutlingen

Steuerpolitische Forderungen, entschiedene Maßnahmen gegen die Abwanderung in Schwarzarbeit, Abbau bürokratischer Hemmnisse und Widerstand gegen die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer – das waren die zentralen Themen, die Joachim Möhrle, Präsident der Handwerkskammer Reutlingen und neu gewählter Landeshandwerkspräsident, bei der diesjährigen Sommervollversammlung in Tübingen vortrug.

Möhrle: „Die Belastungen durch Steuern und vor allem Abgaben sind für beschäftigungsintensive Wirtschaftsbereiche wie das Handwerk zu hoch. Auf die notwendigen Strukturreformen warten wir seit Jahren.“ Die Handwerksbetriebe seien im Wesentlichen von der Binnennachfrage und damit von der Kaufkraft der Bevölkerung und den Investitionen in Deutschland abhängig.

Das Handwerk könne seine Probleme nur lösen, wenn die Menschen hierzulande wieder mehr konsumierten, denn dadurch würden im Umkehrschluss auch Investitionen ausgelöst.

Das Handwerk habe darüber hinaus in der Vergangenheit bereits verschiedene steuerpolitische Vorschläge gemacht. Möhrle: „Eine Maßnahme, die vordringlich umgesetzt werden muss, ist die rasche Umstellung der Umsatzsteuer von der Soll-Besteuerung auf die Ist-Besteuerung. Warum sollen wir Steuern an das Finanzamt abführen, wenn unsere Rechnungen noch gar nicht beglichen sind?“

Um wachstumsorientierte Erweiterungsinvestitionen zu fördern, müsse darüber hinaus nicht entnommener Gewinn bei Personenunternehmen bis zu einem Betrag von 100.000 Euro steuerfrei bleiben: „Das wäre ein wichtiges Signal in Richtung Investitionen, und zwar nicht nur für Ersatzbeschaffungen oder Reparaturen.“

Noch größere Auswirkungen verspreche er sich allerdings von der Ausweitung der steuerlichen Absetzbarkeit von haushaltsnahen Dienstleistungen auf Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten durch das Handwerk: „Ich bin überzeugt: Das würde den Markt anheizen und der Schwarzarbeit in einem wichtigen Teilbereich den Boden entziehen.“

Schließlich sei die Schwarzarbeit für das Handwerk einer der wichtigsten Konkurrenzmärkte, weil dieses Abwandern in die Schattenwirtschaft auch als eine ‚Arbeitsplatzverlagerung’ zu verstehen sei.

Möhrle: „Die Politik hat bislang lediglich auf diese Herausforderung mit steuerlichen Vergünstigungen für die international agierenden Kapitalgesellschaften reagiert. Hier müssen jetzt deutliche Zeichen für das regionale Handwerk gesetzt werden, damit es wieder konkurrenzfähig wird.“

Deshalb lehne das Handwerk auch alle Überlegungen zur Anhebung der Mehrwertsteuer strikt ab. Möhrle: „Umso unverständlicher ist es, dass die CDU jetzt schon eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 18 Prozent ankündigt. Das ist eine Vorlage für alle Schwarzarbeiter im Land, weil damit erneut handwerkliche Leistungen verteuert werden.“

Deutlich kritisierte Möhrle auch das vergangene Woche im Bundesrat endgültig verabschiedete Gesetz zum Vorziehen der Fälligkeit von Sozialbeiträgen. Ärgerlich sei, dass auch die unionsgeführten Länder nicht versucht hätten, dieses Gesetz zu stoppen.

Möhrle bezeichnete dieses Gesetz als einen „Taschenspielertrick“, der mit einem deutlich höheren bürokratischen Aufwand wieder einmal das Handwerk treffe. So solle wohl verhindert werden, dass direkt nach der Bundestagswahl entweder die Rentenversicherungsbeiträge oder der Bundeszuschuss zu den Renten angehoben werden müsse.

Der Hintergrund: Sozialversicherungsbeiträge sind jetzt spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig. Bislang sind die Beiträge für die Sozialversicherung von den Arbeitgebern spätestens bis zum 15. des Folgemonats abzuführen.

Handwerksbetriebe müssen im kommenden Jahr die Beiträge vorab – ohne dass die genaue Lohnhöhe feststeht – abführen und später eine Nachberechnung durchführen.

Statt wie bisher zwölf Monatsabrechnungen müssen Handwerker nun 24 Monatsabrechnungen vorlegen und darüber hinaus im Kalenderjahr 2006 nicht zwölf, sondern 13 Monatsbeiträge an die Sozialversicherung abführen. Die Betriebe werden dadurch im kommenden Jahr also mit zusätzlichen Beiträgen zu Lasten der eigenen Liquidität und der dringend erforderlichen Eigenkapitalstärkung verpflichtet.