Fabian Schnell und Katharina Fischer sind die ersten Lehrlinge im Betrieb, die gleichzeitig studieren. Geschäftsführer Heinz Sieber hofft, mit dem dualen Studienmodell weitere Abiturienten für sein Bauunternehmen gewinnen zu können.

28.05.2016

Studium und Lehre im Doppelpack

Erst einen Beruf lernen und dann studieren? Die Abiturienten Fabian Schnell und Katharina Fischer aus Horb machen beides gleichzeitig. Sie kombinieren ihr Bauingenieur-Studium mit einer Maurerlehre.

Fabian Schnell befindet sich zurzeit mitten im ersten Semester. An der Hochschule Biberach paukt der 20-Jährige Mathematik, Bauphysik und Tragwerkslehre. Der erste Abschnitt seiner gewerblichen Ausbildung liegt bereits hinter ihm. Seit September 2015 ist Schnell einer von vier Auszubildenden der Horber Baufirma Eugen Sieber GmbH, die das Maurerhandwerk lernen.

„Bauingenieur Plus“ heißt das Modell der Hochschule Biberach, das gemeinsam mit dem Verband der Bauwirtschaft Baden-Württemberg entwickelt worden ist. Wie in anderen dualen Studiengängen pendeln die Studierenden zwischen Betrieb und Hörsaal. Allerdings handelt es sich nicht nur um den Wechsel von Praxis- und Theoriephasen. Das Besondere liegt in der Verbindung von Studium und gewerblicher Ausbildung, die zu zwei Abschlüssen führt. Die Studenten haben einen Ausbildungsvertrag, sind von Beginn an in das Unternehmen eingebunden und sparen vor allem Zeit. Nach rund fünf Jahren haben die Absolventen einen Gesellenbrief und den Bachelor-Abschluss in der Tasche. Schnell ist von diesem Konzept überzeugt. „Es ist ein Vorteil, wenn man beide Seiten kennt.“

Ingenieure mit Praxiserfahrung

Darauf kommt es auch Bauunternehmer Heinz Sieber an: „Wir brauchen fähige Leute, die wissen, was vor Ort zu tun ist.“ Der 1934 gegründete Traditionsbetrieb, der überregional in den Bereichen Wohnungsbau, Gewerbebau und Außenanlagen tätig ist, bildet seine Nachwuchskräfte seit jeher selbst aus. Mit dem Einstieg in das duale Studium reagiert er auf die gestiegenen Qualifikationsanforderungen im Unternehmen.

„Der technische und rechtliche Rahmen ist komplexer geworden“, meint Sieber mit Blick auf Normen und Richtlinien. Die Konsequenz: Damit es auf der Baustelle reibungslos läuft, sind heute nicht nur qualifizierte Handwerker erforderlich, sondern eben auch Mitarbeiter, die Planungsaufgaben übernehmen, etwa in der Arbeitsvorbereitung und in der Kalkulation. Sieber fasst seine Vorstellungen im Begriff „praktischer Ingenieur“ zusammen, der im Idealfall die Abläufe auf der Baustelle aus eigener Erfahrung kennt. „Wir brauchen beide, den Maurermeister und den Ingenieur, um uns am Markt behaupten zu können“, betont Sieber, der das Unternehmen seit 1980 führt.

Anspruchsvolles Pensum

Das Lernpensum der künftigen Führungskräfte ist anspruchsvoll. Ein Studentenbonus in der gewerblichen Ausbildung ist nicht vorgesehen. Die angehenden Bauingenieure absolvieren dasselbe Programm wie andere Auszubildende, lernen im Betrieb, besuchen die Berufsschule und nehmen an den Lehrgängen der überbetrieblichen Ausbildung teil. Statt Semesterferien gibt es den tariflichen Urlaub. Dafür geht die Ausbildungsvergütung auch während der Vorlesungen verlässlich auf dem Konto ein. Das Modell kommt bei Betrieben und Studenten gut an. Rund die Hälfte des Jahrgangs seien duale Studenten, berichtet Schnell.

Zwei Abschlüsse, finanzielle Sicherheit während des Studiums und gute berufliche Perspektiven – Sieber sieht darin ein attraktives Angebot für die von vielen Branchen umworbenen Abiturienten. Die sollen in den nächsten Wochen verstärkt angesprochen werden. Eine Informationskampagne der Innung läuft in Kürze an.

Der zweite Studienplatz im Hause Sieber ist bereits besetzt. Katharina Fischer fängt im September mit ihrer Maurerlehre an. „Eine Mauer hochzuziehen, das fand ich schon stark“, erinnert sich die 18-Jährige an ihr Praktikum. Den Ehrgeiz, zwei Ausbildungen erfolgreich abzuschließen, bringt sie mit. Von der Doppelbelastung jedenfalls will sie sich nicht abschrecken lassen. Auch nicht vom überwiegend männlichen Umfeld. „Als Frau muss man sich immer beweisen. Auf dem Bau eben ein wenig mehr“, sagt Fischer.