Für Ousmane Diallo (Bildmitte) steht die Ausbildung an erster Stelle. Aus diesem Grund verzichtet er zurzeit sogar auf das Fußballtraining bei der SG Herzogsweiler. Ulrich Haizmann, Geschäftsführer der Robert Kurz KG (links), und Serviceleiter Martin Langenbacher (rechts) würden den Westafrikaner gerne nach der Ausbildung übernehmen.

01.03.2016

„Sympathisch, freundlich und geschickt“

2015 war ein erfolgreiches Jahr für Ousmane Diallo: ein eigenes Zimmer bezogen, den Hauptschulabschluss geschafft, im September dann der Start in die Ausbildung zum Elektroniker. „Ich bin in Freudenstadt angekommen“, sagt der 22-jährige Gambier, der vor drei Jahren aus seiner Heimat geflohen ist.

Der erste Eindruck zählt. Und der war offensichtlich überzeugend. „Sympathisch, freundlich und geschickt“, fasst Ulrich Haizmann, Geschäftsführer der Robert Kurz KG in Freudenstadt, seine ersten Eindrücke von dem jungen, großgewachsenen Westafrikaner  zusammen, den er im vergangenen Sommer als Praktikanten kennenlernte. Auch die Resonanz der Mitarbeiter und Kunden sei rundum positiv gewesen.

Freilich gab für die Entscheidung, Diallo einen Ausbildungsplatz anzubieten, noch ein weiterer Faktor den Ausschlag. „Die Sprachkompetenz war ein wichtiger Punkt für uns“, betont Haizmann. Ein Grund, genauer hinzuschauen, waren die Erfahrungen, die man mit einem Auszubildenden aus Spanien gemacht hat. Dieser hatte an der Berufsschule mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Vor allem die technischen Begriffe bereiteten Probleme. „Ohne ausreichende Deutschkenntnisse ist es fast unmöglich, im Theorieunterricht mitzukommen“, weiß Haizmann.

95 von 100 Punkten

Die Fachsprache wird auch Diallo erst noch lernen müssen, aber er kann zumindest auf einer soliden Basis aufbauen. Er spricht und versteht Deutsch so gut, dass er in alltäglichen Situationen ohne Probleme zurechtkommt. Die B1-Sprachprüfung, die ihm eine selbstständige Sprachverwendung bescheinigt, hat er mit Bravour bestanden. „Ich habe 95 von 100 möglichen Punkten erreicht“, erzählt Diallo freudestrahlend.

Es ist eine kleine Erfolgsgeschichte, die Diallo seit seiner Flucht im Jahr 2013 geschrieben hat. Dass er heute über einen deutschen Schulabschluss verfügt und direkt im Anschluss eine Lehre beginnen konnte, verdankt er seiner Lernbereitschaft und einem Schuss Hartnäckigkeit. „Beim Jobcenter sagte man mir, ich muss erst mal drei, vier Jahre die Sprache lernen, bevor ich mich bewerben kann.“ Mit dieser Aussicht wollte sich Diallo nicht zufrieden geben und kümmerte sich selbst, unterstützt durch ehrenamtliche Helfer des Freundeskreises Asyl Freudenstadt, um Betriebspraktika und fand schließlich seinen Ausbildungsplatz.

Vertrauen und Geduld

Grundsätzlich gebe man motivierten jungen Leuten gerne eine Chance, meint Haizmann. Dies gelte auch für Flüchtlinge. „Die einzige Chance weiterzukommen ist, dass man etwas tut.“ Der Diplom-Ingenieur, der in seinem Unternehmen zurzeit zwölf Nachwuchskräfte in gewerblichen und kaufmännischen Berufen ausbildet, setzt auf Vertrauen und Zeit. „Sprache ist wichtig, Geduld ebenso – zumindest bei Auszubildenden.“ Mancher Auszubildende, darunter auch Jugendliche aus Deutschland, brauche eben etwas länger. Wichtig sei, dass die Richtung stimme, so Haizmann. „Es müssen Fortschritte sichtbar sein.“

Diallo ist gut in die Ausbildung gestartet, im Betrieb und auch an der Berufsschule. „Die Noten können sich sehen lassen“, sagt Martin Langenbacher, Ausbilder und Leiter der Service-Abteilung. Schwerpunkt der betrieblichen Ausbildung ist zurzeit die Gerätetechnik. Hier lernt der angehende Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik den Aufbau und die Funktionsweise von Großküchentechnik bis hin zum Haushaltsgerät kennen und arbeitet im Kundenservice mit. Als hochmotiviert und umsichtig charakterisiert Langenbacher seinen Auszubildenden. „Er sieht, was momentan im Arbeitsablauf gebraucht wird.“

Bei der Frage nach einer Lieblingstätigkeit muss Diallo nicht lange überlegen. Ihm haben es die großen Geräte angetan, die in Kantinen von Unternehmen, Krankenhäusern und in der Gastronomie eingesetzt werden. Besonders gut gefällt ihm die Montage vor Ort. „Man sieht, wie etwas entsteht.“

Fachkräfte ausbilden

Das Heimweh plage ihn mittlerweile nicht mehr, sagt Diallo. Vor einem Jahr konnte er die Flüchtlingsunterkunft verlassen und ein eigenes Zimmer in der Nähe des Kurparks beziehen. Er sei in Freudenstadt angekommen und komme auch mit der Mentalität der Schwarzwälder immer besser zurecht. Etwas spontaner und offener könnten sie allerdings schon sein, findet Diallo: „Man sagt hier immer langsam, langsam.“

In der nächsten Zeit will sich Diallo voll auf die Ausbildung konzentrieren und einen „guten Abschluss machen“. Was kommt danach? „Dann muss man sehen“, sagt Diallo. Sein Chef ist da schon einen Schritt weiter. „Wir bilden aus, um die Leute als Fachkräfte im Unternehmen zu behalten“, sagt Ulrich Haizmann und fügt hinzu: „Von unserer Seite auf jeden Fall.“

Da passt es, dass sich das Thema Abschiebung aller Voraussicht nach erledigt hat. Diallo floh aus einer Bürgerkriegsregion im Senegal, hat aber einen gambischen Pass. Gambia gilt als sicheres Herkunftsland. Nach Verabschiedung des Asylpakets II genießt er nun, unabhängig vom Ausgang des Asylverfahrens, ein Bleiberecht bis zu zwei Jahren nach der Ausbildung.