Foto: Falk Heller/AMH online

24.11.2021

Weniger neue Lehrverträge im Handwerk

In den Handwerksbetrieben der Region sind in diesem Jahr zahlreiche Lehrstellen unbesetzt geblieben. Bis zum 31. Oktober 2021 verzeichnet die Handwerkskammer Reutlingen 1.757 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge, ein Minus von 2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

„Es handelt sich um einen Rückgang, der unter den aktuellen Rahmenbedingungen durchaus hätte größer ausfallen können“, sagt Christiane Nowottny, Geschäftsbereichsleiterin Berufsausbildung, Prüfungs- und Sachverständigenwesen der Handwerkskammer Reutlingen. Angesichts der pandemiebedingten Einschränkungen bis hin zum Lockdown sei der statistische Vergleich mit Vorjahren ohnehin nur bedingt aussagekräftig. Die Ausbildungsexpertin nennt ein Beispiel: „Berufsmessen und Infotage an Schulen, bei denen Betriebe und Bewerber in Kontakt kommen, fanden praktisch nicht statt. Der Wegfall dieser bewährten Formate machte es beiden Seiten schwerer.“

Die Bilanz in den fünf Landkreisen des Kammerbezirks fällt uneinheitlich aus. In drei Kreisen liegt die Zahl der Neuverträge im Plus. Dazu zählt neben den Kreisen Freudenstadt (plus 4,3 Prozent) und Sigmaringen (plus 7,3 Prozent) auch der Kreis Tübingen. Dort wurden bislang 384 neue Lehrverträge geschlossen, eine deutliche Steigerung von 4,9 Prozent. Ganz anders stellt sich die Situation im Kreis Reutlingen dar. Mit 544 neuen Auszubildenden stellen die Reutlinger Betriebe ein knappes Drittel aller Neuverträge. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einem Rückgang von 14,2 Prozent. 2020 konnte noch ein ebenso großes Plus verzeichnet werden.

Solche Schwankungen seien im Handwerk keineswegs unüblich, so Nowottny. Die Ursache sei in der Betriebsstruktur zu finden. „Kleine Betriebe, die durchgehend einen Ausbildungsplatz besetzen, tauchen nur alle drei bis vier Jahre in der Statistik auf, obwohl sie regelmäßig ausbilden.“

Fest stehe, dass es für Handwerksbetriebe in den vergangenen Jahren schwieriger geworden sei, qualifizierte und motivierte Bewerber zu finden. Die Gründe seien vielfältig: sinkende Bewerberzahlen, der Trend zu höheren Schulabschlüssen und Studium und das mitunter angestaubt wirkende Image einzelner Berufe. „Corona hat die Lage am Ausbildungsmarkt verschärft, neu ist sie nicht“, erklärt Nowottny.

Gegen alle pessimistischen Erwartungen ist das Angebot an Lehrstellen im Handwerk unverändert hoch geblieben. „Die Betriebe suchen händeringend nach Nachwuchs. Corona hat sich auf die Ausbildungsbereitschaft nicht negativ ausgewirkt. Das ist ein gutes Signal.“ Nowottny verweist auf die Lehrstellenbörse der Kammer, die am Rechner oder per App genutzt werden kann. „Wir verzeichnen in diesem Jahr deutlich mehr Eintragungen.“

Um junge Menschen anzusprechen, setzt die Kammer vermehrt auf digitale Angebote. So fanden bereits zwei mehrwöchige Online-Speed-Datings statt, bei denen Betriebe und potentielle Bewerber über eine Plattform schnell und unkompliziert in Kontakt treten konnten. Gleichzeitig soll die Berufsorientierung an Schulen ausgebaut werden. Das Handwerk biete jungen Menschen tolle Chancen, so Nowottny, deshalb sei es wichtig, neue Wege zu gehen und möglichst auf allen Kanälen präsent zu sein.

Auch in diesem Jahr sei der Start in die Ausbildung noch möglich, betont Nowottny. „Der spätere Einstieg stellt in der Regel kein Hindernis dar.“ Aktuell sind im Kammerbezirk noch 110 Lehrstellen zu besetzen. Für das Ausbildungsjahr sind bereits 885 Ausbildungsplätze gemeldet.

Alle freien Lehrstellen sind unter www.hwk-reutlingen.de/lehrstellensuche und mit der kostenfreien App „Lehrstellenradar“ abrufbar.