Smartphone-Hersteller, Suchmaschinen, soziale Netzwerke und Online-Händler sind die großen Spieler, die klassische Märkte verändern. Prof. Dr. Key Pouttchi, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik und Digitalisierung an der Uni Potsdam, referierte.

25.01.2017

Wie Big Data die Welt verändert

Beim Neujahrsempfang von Handwerkskammer und IHK in der Reutlinger Stadthalle ging es um die Digitalisierung des Alltags und die Macht zu wissen, was Kunden umtreibt.

Zur Einstimmung gab es Musik. Die Sphärenklänge, die den 600 Gäste beim gemeinsamen Neujahrsempfang von Handwerkskammer und Industrie- und Handelskammer in der Reutlinger Stadthalle geboten wurden, kamen live vom Smartphone.

Ein unterhaltsames Spiel mit Tönen, Klangfarben und Stimmungen, ein Zeitvertreib, wie ihn viele Nutzer schätzen – und gerade deshalb ein passender Einstieg in das Thema des Abends. Warum nutzen Menschen Smartphones?

Man sollte meinen, wer eines besitzt, will vor allem eines: jederzeit von unterwegs telefonieren können. Dies sei einer der Gründe, aber längst nicht mehr der Wichtigste, sagt der IT-Experte Prof. Dr. Key Pousttchi von der Universität Potsdam. Auf den vorderen Plätzen lägen die Motive „Zeit totschlagen“ und „Unterhaltung“. Erst dann folge die „Pflege sozialer Netzwerke“.

Das mobile Telefon, angereichert um zahllose digitale Anwendungen, habe zu einem grundlegenden Wandel des Kommunikationsverhaltens geführt. Seine Verbreitung basiere weniger auf den Nutzen einzelner Dienste, so der Wissenschaftler, sondern vor allem auf dem Erlebnisfaktor, kurz: dem Spaß, den die Dienstnutzung den Nutzern bereite.

Daten als strategischer Faktor
75 Prozent der Deutschen gehen nie ohne Smartphone aus dem Haus, 56 Prozent nutzen mobile Geräte beim Fernsehen und zwölf Prozent nehmen diese sogar mit ins Bad, wenn sie duschen wollen. Und dabei produzieren sie ununterbrochen Daten.

Pousttchi machte es an einem einfachen Arbeitswerkzeug fest. Wer zum Beispiel eine App herunterlädt, die für Ordnung im Arbeitsspeicher sorgen soll, stimmt zu, dass die E-Mail-Adresse, alle Kontakte, Audio- und Videodateien und Textnachrichten an Dritte übermittelt werden. „Das macht die Smartphones für Unternehmen spannend und die Daten strategisch bedeutend.“

Internetfirmen erobern reale Märkte
Dank des stetig wachsenden Datenpools gelingt es den Internetfirmen Apple, Google, Facebook und Amazon mit ihren Diensten immer mehr, sich zwischen Händler und Kunden zu schalten. Sie können einschätzen, welche Bedürfnisse ein Verbraucher hat und entsprechende Produkte und Dienstleistungen anbieten.

Die Konsequenz: Plattformanbieter aus dem Silicon Valley im US-Bundesstaat Kalifornien drängen aus der virtuellen Welt immer stärker in reale Märkte hinein mit dem Ziel, erster Ansprechpartner des Verbrauchers zu sein. Zu Lasten der Händler, deren Margen schrumpfen.

Was an statistischer Auswertung mittlerweile möglich ist, illustrierte Pousttchi am Beispiel des Kreditkartenanbieters Mastercard. Der könne aufgrund der vorliegenden Daten mittlerweile besser vorhersagen, welches Paar sich in fünf Jahren scheiden lasse als die Betroffenen selbst.

„Wir stehen erst am Anfang der Entwicklung“, erklärte Pousttchi. „Wir haben erst zehn Prozent der Veränderungen gesehen.“ Digitalisierung gestalten Den Unternehmen gab der IT-Fachmann drei Empfehlungen mit auf den Weg. „Lassen Sie die Digitalisierung nicht einfach passieren, sondern gehen Sie es selbst an.“

Allerdings sei es für ein einzelnes Unternehmen kaum möglich, den Prozess zu beeinflussen. Pousttchi sieht deshalb die Interessenvertreter in der Pflicht. „Es ist die Stunde der Verbände.“ Und drittens sprach er sich für einen Mittelweg aus. „Das Silicon Valley zielt auf maximale Digitalisierung ab, hierzulande wollen sie einige aber gar nicht. Ich empfehle einen Umfang im mittleren Drittel.“

Zu Schwarzmalerei bestehe, so Pousttchi, kein Anlass. Die Digitalisierung eröffne Chancen für deutsche Firmen. Der Wissenschaftler sprach sich für eine enge Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Entwicklungsabteilungen in Unternehmen aus.

„Die Welt kennt Deutschland als Ingenieursnation. Wenn es gelingt, unser Talent für gut durchdachte und sichere Lösungen in Innovationen umzusetzen, dann brauchen wir uns bei der Digitalisierung nicht zu verstecken“, sagte Pousttchi am Ende seines mit viel Beifall bedachten Vortrags.